Mann auf Sofa mit Unterlagen für Testamentsanfechtung

In vielen Fällen können Erben das Testament anfechten, wenn sie sich übergangen fühlen. © Foto: Andrea Piacquadio_Pexels.com

Schleswig-Holsteinische Rechtsanwaltskammer. Fühlt man sich als naher Angehöriger im Testament eines Verstorbenen unrechtmäßig übergangen, gibt es durchaus Handlungsmöglichkeiten. So können Pflichtteilsberechtigte ein Testament anfechten, wenn sie dadurch überhaupt erst erben würden oder einen anderen Vorteil hätten. Anfechtungsgründe können beispielsweise Irrtümer sein oder wenn der Erblasser beim Verfassen des Testaments bedroht wurde. Wichtig ist jedoch, die einjährige Anfechtungsfrist zu beachten, die mit Bekanntwerden des Anfechtungsgrundes beginnt. Bestehen darüber hinaus grundsätzliche Zweifel an der Gültigkeit des Testaments, kann dessen Wirksamkeit gerichtlich überprüft werden.

Prüfung der Testamentswirksamkeit: Noch keine Testamentsanfechtung

Wird die Wirksamkeit eines Testaments nachträglich in Frage gestellt, sprechen Laien häufig von einer Testamentsanfechtung. Aus juristischer Sicht ist das jedoch nicht korrekt. Zunächst geht es um die Frage, ob der Erblasser testierfähig, also im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war und der Inhalt des Testaments in rechtlich zulässiger Weise verfasst wurde. Es gibt zwei Verfahrensarten, um dies festzustellen. Für ein Erbscheinsverfahren beim Amtsgericht muss der Antragsteller im ersten Schritt aussagekräftige Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit des Erblassers vorlegen. Als zweite Verfahrensweise kann ein Erbenfeststellungsverfahren eingeleitet werden. Dies ist ein Zivilprozess, in dem die streitenden Parteien den relevanten Sachverhalt selbst vor Gericht darlegen. In der Realität sind allerdings beide Verfahren nur selten erfolgreich, da eine Testierunfähigkeit im Nachhinein schwer nachzuweisen ist.

Welche Schenkungen sich auf eine Erbschaft auswirken, erfahren Sie im Blogbeitrag zum Thema.

Testamentsanfechtung bei Irrtum des Erblassers

Bei der Testamentsanfechtung im juristischen Sinne geht es um die Anfechtung eines wirksam errichteten Testaments, weil der Erblasser über dessen Inhalt im Irrtum war oder eine solche testamentarische Erklärung gar nicht abgeben wollte und dies bei Kenntnis der Sachlage auch nicht getan hätte. Ein Sonderfall liegt vor, wenn der Erblasser einen sogenannten Pflichtteilsberechtigten im Testament nicht berücksichtigt hat, da er nichts von dessen Existenz wusste. Oder die Person wurde erst nach Verfassen des Testaments zum Erbberechtigten. „Pflichtteilsberechtigt“ meint alle Personen, die ein gesetzliches, nicht zu umgehendes Anrecht auf einen bestimmten Teil des Erbes haben, den Pflichtteil. Dies können Ehepartner und Kinder oder gegebenenfalls sogar Eltern sowie Enkel des Erblassers sein. Ein weiterer Grund zur Testamentsanfechtung: Der Verfasser wurde bedroht.

Wer kann ein Testament anfechten

Im Regelfall ist jeder zur Anfechtung berechtigt, für den eine Aufhebung des Testaments von Vorteil wäre. Davon abweichend kann ein irrtümlich übergangener Pflichtteilsberechtigter das Testament nur selbst anfechten. Auch der Erblasser kann in bestimmten Fällen anfechtungsberechtigt sein: Setzen Herr Müller und seine Lebenspartnerin Frau Schmidt einen Erbvertrag ohne Rücktrittsrecht auf, kann der Erbvertrag bei Beziehungsende prinzipiell nur mit beidseitiger Zustimmung aufgehoben werden. Lehnt Frau Schmidt ab und Herr Müller heiratet eine andere Frau, wird diese Ehepartnerin pflichtteilsberechtigt. Erblasser Müller kann den alten Erbvertrag nach der Eheschließung anfechten. Die Frist für eine Anfechtung wegen Irrtums beträgt ein Jahr und beginnt ab dem Zeitpunkt, zu dem der Grund bekannt wurde. Spätestens nach 30 Jahren erlöschen jedoch sämtliche Anfechtungsrechte.

Im Zweifelsfall sollten Sie sich von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt beraten lassen. Anwältinnen und Anwälte finden Sie über die Anwaltssuche der Schleswig-Holsteinischen Rechtsanwaltskammer im Internet unter https://www.rak-sh.de/fuer-buerger/anwaltssuche/.

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Redaktion: AzetPR