Eine Pflegerin im Wohnheim

Heimbewohner sowie deren Angehörige sollten zur Prüfung komplexer Heimverträge rechtliche Beratung einholen. © Foto: Stokkete _shutterstock.com

Schleswig-Holsteinische Rechtsanwaltskammer. Pflege sowie Wohnen und Leben im Alter werden in Zukunft zu einer der wichtigsten sozialen Herausforderungen in Deutschland. Aufgrund des demographischen Wandels steigt die Zahl der Menschen, die ihren Lebensabend in Alten- und Pflegeheimen verbringen. Doch ausgerechnet dort kennen viele Pflegebedürftige ihre Rechte nicht. Zwar sind Inhalt und Schranken von Heimverträgen gesetzlich vorgeschrieben, jedoch kommt es immer wieder vor, dass gesetzeswidrige Klauseln verwendet werden. Nicht selten sind Heimbewohner und ihre Angehörigen überfordert mit komplizierten wie umfangreichen Heimverträgen und fragwürdigen Klauseln. Welche Vereinbarungen Heimbetreiber einhalten müssen, regelt das seit 2009 geltende Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG).

Informationspflichten

So ist das Heim zwingend dazu verpflichtet, vor Abschluss eines Vertrags die Heimbewohner umfassend über Ausstattung, Leistung und Betreuung im Heim zu informieren. Betroffene haben vor Einzug in die Pflegeeinrichtung das Recht zu erfahren, wie ihre Unterkunft beschaffen ist, welche Größe die Wohnfläche hat und ob es sich um ein Einzel- oder Doppelzimmer handelt. Sollte der Heimträger diesen Informationspflichten nicht nachkommen bzw. Heimbewohnern keine Besichtigung gewähren, kann der bereits abgeschlossene Vertrag fristlos gekündigt werden. Das Heim muss Licht, Strom, Heizung sowie diverse Telekommunikationseinrichtungen sicherstellen und, soweit erforderlich, auch für funktionierende Aufzüge sorgen. Neben Art, Inhalt und Umfang der Unterkunft muss der Vertrag genau auflisten, welche Leistungen der Heimbewohner in den Punkten Verpflegung, Pflege, Betreuung und hauswirtschaftliche Versorgung erwarten darf. Weiterhin sollte eine Regelung enthalten sein, in der auch Dinge wie Hausmeistertätigkeit und kleinere Dienstleistungen wie Postannahme klar geregelt sind.

Kündigungsfristen

Nach Beginn des Vertragsverhältnisses haben Heimbewohner von Pflegeeinrichtungen das Recht, den Vertrag innerhalb von zwei Wochen ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen. Wohnt der Heimbewohner schon länger als zwei Wochen in dem Heim, kann er laut § 11 Abs. 3 WBVG ebenfalls ohne Einhaltung einer Frist aus dem Vertragsverhältnis austreten – dies allerdings nur, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

Fragwürdige Klauseln über Kosten

Besonders dann, wenn es um die Kosten geht, kann es zu Ärger mit den Verträgen kommen. So verstößt ein Paragraf, der den Heimträger berechtigt, durch einseitige Erklärung das Entgelt zu erhöhen, gegen das WBVG. Eine Entgelterhöhung im Einzelfall muss schriftlich mitgeteilt und ausführlich begründet werden, auch darf sie nicht unangemessen hoch ausfallen. Außerdem muss der Heimbewohner über den Zeitpunkt der beabsichtigten Erhöhung informiert werden. Heimkostenforderungen darf der Heimbetreiber nicht an eine Abrechnungsstelle oder an ein Inkassounternehmen abtreten. Auch sogenannte Beitrittserklärungen, in denen Angehörige oder Betreuer für die Zahlung der Heimkosten persönlich haften, sind unwirksam. Allenfalls kann vom Heimbewohner selbst maximal eine Sicherheitsleistung in Höhe von zwei Monatsentgelten verlangt werden. Entgelte, die die Verpflegung betreffen, dürfen nur für die Tage berechnet werden, an denen Speisen und Getränke auch tatsächlich eingenommen wurden. Kann der Heimbewohner aus gesundheitlichen Gründen oder wegen eines Krankenhausaufenthalts die Verpflegung nicht in Anspruch nehmen, dürfen diese Kosten nicht in Rechnung gestellt werden. Hingegen ist nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin das Heim nicht dazu verpflichtet, Körperpflegemittel bereitzustellen und die Kosten zu tragen (14 A 36.079). In einer Entscheidung von Februar 2015 hat das Verwaltungsgericht Gießen klargestellt, dass weder der Heimbetreiber noch der Heimbewohner selbst für die Kosten der Rettungskräfte aufkommen, wenn nach einem demenzkranken Heimbewohner ein Sucheinsatz erforderlich war (4 K 409/14).

Beratung und Beschwerden

Die Kosten, die auf den Heimbewohner zukommen, müssen gemäß WBVG eindeutig, präzise und nachvollziehbar aufgeführt werden – aber nicht immer ist das der Fall. Um sicherzugehen, dass der Heimvertrag keine rechtswidrigen Klauseln beinhaltet, sollten sich Betroffene vor Unterzeichnung von einem Anwalt beraten lassen. Wichtiger Bestandteil eines Heimvertrags ist auch eine Regelung darüber, an wen innerhalb des Heims Beschwerden weitergeleitet werden können. Außerdem müssen der Name und die Adresse der zuständigen Heimaufsicht bekanntgegeben werden.

Im Zweifelsfall sollten Sie sich von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt beraten lassen. Anwälte und Anwältinnen nennt auf Anfrage in der Zeit von 9 bis 12 Uhr die Schleswig-Holsteinische Rechtsanwaltskammer unter der Telefonnummer 04621/9391-11 oder über die Anwaltssuche im Internet.

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind unabhängige Berater in allen Rechtsangelegenheiten. Sie vertreten ausschließlich die Interessen ihrer Mandanten, helfen bei der Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen und erarbeiten wirtschaftlich vernünftige Lösungen. Anwältinnen und Anwälte und ihre Mitarbeiter sind zur strikten Verschwiegenheit verpflichtet und dürfen auf keinen Fall das Vertrauen der Mandanten durch die Wahrnehmung widerstreitender Interessen enttäuschen. Besuchen Sie auch die Facebook-Seite der Schleswig-Holsteinischen Rechtsanwaltskammer.

Haben Pflegebedürftige nicht mit einer Vollmacht vorgesorgt, wird vom Amtsgericht ein Betreuer bestellt. Hierbei kann es sich zum Beispiel um einen nahen Angehörigen handeln. Erfahren Sie mehr in unserem Blogbeitrag zum Thema.

Redaktion: AzetPR